Pen&Paper-Rollenspiele mit Teenagern
Tipps für Rollenspielrunden mit Jugendlichen
Wir alle haben einmal klein angefangen. Ich selber war bei meiner ersten Rollenspielrunde 13 Jahre alt, und ich war sofort Feuer und Flamme für dieses Hobby. Zurückblickend weiß ich aber, dass ich als junger Rollenspieler ganz andere Erwartungen an einen Spieleabend hatte als heute. Daher ist für einen Spielleiter etwas ganz anderes, mit Minderjährigen zu spielen, als eine Runde mit alten Hasen zu leiten. Damit eine Rollenspielrunde mit Jugendlichen gut läuft und nicht zum Desaster wird, haben wir hier eine Reihe von Tipps zusammengestellt.
Effekt: ★ ★ ☆ ☆
Schwierigkeit: Fortgeschritten
Lesezeit: 11 min
Gibt es ein Mindestalter für Pen&Paper-Rollenspiele?
Ja, definitiv. Rollenspiele sind doch ein relativ anspruchsvolles Hobby. Es gibt kein Spielbrett und mit Figuren darauf. Man benötigt also ausreichend Fantasie, um sich eine erzählte Geschichte gut vorstellen zu können. Zusätzlich können die vielen Handlungsmöglichkeiten junge Spieler schnell überfordern. Was ist also ein gutes Alter, um mit dem Rollenspielen anzufangen?
13 Jahre
Mit 13 haben die Spieler bereits genug Vorstellungsvermögen, um eine abstrakte Geschichte zu verstehen. In diesem Alter haben sei auch schon Spaß daran, in der Gruppe zu diskutieren und selbstständig Entscheidungen zu treffen.
Es geht auch mit 10, wenn…
…die Kids bereits viel Erfahrung mit Spielen von daheim mitbringen. Wenn ihre Eltern mit ihnen regelmäßig Brettspiele spielen und/oder wenn sie viel lesen, dann sind sie bereits mit 10 Jahren ganz gut gerüstet für eine Rollenspielrunde.
Je einfacher der Plot, desto besser
Die große Entscheidungsfreiheit und die Fülle an Handlungsmöglichkeiten machen einen Großteil des Reizes von Pen&Paper-Rollenspielen aus. Diese große Freiheit überfordert aber viele junge Rollenspieler. Ich habe schon viele Teenager am Spieltisch erlebt, die frustriert waren, weil sie nicht wussten, was ihre Charaktere als Nächstes tun sollten. Darum gilt: Je einfacher der Plot, desto besser. Railroading ist für junge Spieler durchaus empfehlenswert. Abenteuer für Rollenspieler unter 20 Jahren brauchen keine komplexen Entscheidungsbäume oder Beziehungsnetze zwischen den SCs. Gib‘ ihnen stattdessen klare und einfache Ziele.
Plots à la „ein Troll überfällt Reisende auf der Handelsstraße“ genügt völlig. Junge Spieler beschäftigen sich nämlich gerne mit allerhand Details, die nicht unmittelbar mit dem Abenteuer zu tun haben: Pflege von Ausrüstung, Umgang mit Tierbegleitern, oder der Alltag im mittelalterlichen Dorf sind für sie bereits unterhaltsame Nebenplots. Damit verleihen sie einem dünnen Plot genügend Details, um einen Nachmittag oder Abend zu füllen.
Gib‘ ihnen das Gefühl, Helden zu sein
Als Teenager fühlt es sich großartig an, wenn du mit deinem Charakter Monster und Gefahren in einer Fantasywelt bezwingst. Das Gefühl, dass die Welt dich braucht, und dass deine Handlungen von großer Bedeutung sind, ist etwas ganz Besonderes. Genau dieses Feeling solltest du deinen jungen Spielern vermitteln. Sei ein Fan ihrer Charaktere und liefere ihnen Szenen, in denen sie glänzen können. Blutrünstige Monster für den Krieger, eine Schleichpassage für den Dieb und mysteriöse Rätsel für den Zauberkundigen. Stelle sie vor große Herausforderungen, damit sie sich ihre Erfolge erarbeiten müssen. Aber lass‘ sie am Ende immer als Helden dastehen. Das ist das Beste, um ihnen ein schönes Spielerlebnis zu bereiten
Das heißt mitunter, dass du für ihre unkonventionellen Ideen und Lösungsansätze offen sein musst. Junge Rollenspieler verfügen noch nicht über einen so großen Erfahrungsschatz wie ältere Spieler. Ihre Einfälle sind vielleicht noch nicht so ausgereift, und sie können noch nicht gut einschätzen, wie die Spielwelt auf ihre Handlungen reagiert. Gib Ihnen daher immer eine grobe Ahnung mit, welche Konsequenzen ihre Aktionen haben werden, bevor sie damit zur Tat schreiten.
Die Rollenspiel-Teenager von heute sind die nächste Generation für unser Hobby. Wenn es dir gelingt, sie für Rollenspiel zu begeistern, leistest du einen großen Beitrag für die Community.
Sei geduldig mit ihnen
Geht mit einer Gruppe von jungen Spielern nicht mit allzu großen Erwartungen in den Rollenspielabend rein. Dramatischer Storyverlauf, emotionale Konflikte zwischen den Charakteren, usw., das könnt ihr getrost ignorieren für eine solche Runde. Warum? Vor allem weil die Aufmerksamkeitsspanne von Spielern unter 18 Jahren sehr kurz ist. Sie tun sich noch schwer damit, sich lange auf ein Thema zu konzentrieren. Nur weil der Spielleiter einen Plot vorbereitet hat, heißt das für sie noch lange nicht, dass sie diesem folgen werden. Viel lieber wollen sie die Spielwelt erkunden. Was geschieht, wenn ich meinem Pferd Bier zu trinken gebe? Was passiert, wenn ich aus 10m Höhe von einem Baum springe? Das machen die jungen Spieler gar nicht mit einer bösen Absicht dahinter. Sie wollen deinen wunderbar ausgearbeiteten Plot gar nicht sabotieren. Ihre jugendliche Neugier ist einfach stärker als das Bedürfnis, den Konventionen des Rollenspiels zu folgen. Was, der Händler bezahlt für den Auftrag im Voraus? Dann wird mit dem Geld lieber stundenlang am Marktplatz eingekauft, als auf Abenteuer auszuziehen. Und dafür benötigt man als Spielleiter, der vielleicht gewohnt ist, Runden für anspruchsvolle erfahrene Rollenspieler zu leiten, etwas Geduld und Nachsicht. Die liebevoll ausgearbeitete Geschichte gerät nämlich mit jugendlichen Spielern gelegentlich ins Hintertreffen. Und es braucht dann einen freundlichen Schubs zurück zum Handlungsstrang.
Das gleiche gilt für „IT-bleiben“ und den eigenen Charakter ausspielen. Die Youngsters sind einfach so sehr mit der Lösung von Rätseln und Herausforderungen beschäftigt, dass sie für Charakterspiel oft keine Notwendigkeit sehen. Bei Ihnen ist die Immersion auch ohne Schauspiel bereits sehr hoch, weil man in jungen Jahren noch eine lebhafte Fantasie hat. Das ist ja an sich eine gute Sache. Nur muss einfach ein hochmotivierter SL, der gewohnt ist, mit alten Hasen zu spielen, seine Ansprüche an die Spieler etwas herunterschrauben. Die Lösung: Ein möglichst einfacher Plot, nur grob vorbereitet. Mit geringeren Erwartungen an das Abenteuer sinkt nämlich auch die Erwartung an die Spieler.
Hilf‘ ihnen, die Folgen ihrer Handlungen vorherzusehen
Spielleiter: „Ja. Du entscheidest, was deine Spielfigur macht.“
Spieler: „Dann zünde ich den Kornspeicher an, um die Wachen abzulenken.“
Eine wahre Geschichte aus meinen Rollenspielerfahrungen. Jungen Rollenspielern fällt es generell schwer, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen. In obigen Beispiel ist aus Sicht des Spielers eine Herausforderung gelöst worden – die Wachen ablenken. Dass durch angezündete Scheune weitere Probleme geschaffen wurden, das erschließt sich jüngeren Spielern noch nicht vollständig. Oft ist es für sie sogar unterhaltsam, die Spielwelt (oder den Spielleiter) mit solchen Handlungen etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nur sehen sie nicht, wie stark sie damit den Verlauf der Story ins Wanken bringen oder die vom SL geplante Geschichte sogar zunichtemachen.
Was gut funktioniert, um solchen Fällen zuvorzukommen: Den Spielern die Auswirkungen ihrer Handlungen vorab zu erklären – quasi ein kurzer Blick in die Zukunft. Bei unserem obigen Beispiel könnte der SL etwas sagen: „“Ja, das könnte funktionieren. Ihr wisst aber, dass dann die Wachen nach einem Brandstifter suchen werden. Und wahrscheinlich treibt ihr damit eine unschuldige Bauersfamilie in den Ruin.““ Das gibt den Spielern eine bessere Grundlage, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Natürlich ignorieren manche Spieler auch diese gut gemeinten Warnungen. Dann sollten die angekündigten Konsequenzen genau so eintreffen. Das Gute daran: Junge Spieler sind selten gekränkt, wenn ihre Charaktere aufgrund ihrer Handlungen im Kerker landen und das Abenteuer damit beendet ist. Und den meisten wird das eine Lehre sein für die nächste Rollenspielrunde.
Pädagogischer Effekt: Vom Spiel etwas lernen
Für junge Spieler ist Rollenspiel eine Spielwiese, um Grenzen auszuloten. Aus ihren Erfahrungen beim Spielen nehmen sie so manche Erkenntnisse ins echte Leben mit. Wie wird ein Verbrechen bestraft? Was geschieht, wenn ich den König beleidige? Wie reagiert mein Umfeld auf meine Handlungen? Mit diesen Fragestellungen setzen sich junge Leute beim Rollenspiel auseinander. Klar steht der Spielspaß an erster Stelle. Doch als SL sollte man sich dieser Verantwortung etwas bewusst sein und idealerweise zusätzlich zur Unterhaltung ein paar Werte vermitteln.
Das Verhalten der Spieler gegenüber Obrigkeiten ist eine klassische Situation dafür. Wenn sich die Spieler dem Gildenmeister oder der Herzogin gegenüber unhöflich verhalten, dann wird der angebotene Auftrage wohl eher an eine andere Heldengruppe vergeben werden. Auf jeden Fall rate ich davon ab, den jungen Spielern jeglichen Klamauk durchgehen zu lassen. Ihr könnt schon mal ein Abenteuer frühzeitig, wenn sich die Spieler ungebührlich verhalten haben. Wie oben erwähnt, sind junge Rollenspieler zum Glück nicht nachtragend und werden versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Ruhige Spieler besonders miteinbeziehen
Ich erlebe es bei jungen Rollenspielern oft, dass ein bis zwei sehr ruhige Spieler in der Gruppe sind. Schüchternheit oder Gruppendruck können die Ursachen dafür sein. Diese Spieler brauchen vom Spielleiter besonders viel Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen. Fragt einfach, was ihr Charakter gerade macht oder denkt. Aber übt dabei nicht zu viel Druck aus. Sonst werden sie sich noch mehr zurückziehen. Das heißt, dass ihr bei den Ideen der ruhigeren Spieler toleranter und offener sein müsst, um sie zur Teilnahme am Spiel zu ermutigen.
Noch ein Tipp zur Sitzordnung: Setzt die leiseren Spieler auf die Plätze direkt euch gegenüber. Damit bekommen sie automatisch mehr Aufmerksamkeit von euch. Mehr Tipps zum Thema „Sitzordnung beim Rollenspiel“ findet ihr in diesem Artikel..
Belohnungen wirken bei jungen Spielern sehr stark
Ich belohne beispielsweise gerne kreative Lösungen und Hilfsbereitschaft in der Gruppe. Egal welches Verhalten am Spieltisch ihr belohnen wollt – ihr könnt euch darauf verlassen, dass sich eure Spieler beim nächsten Mal daran erinnern werden.
Fazit: Rollenspiele mit Teenagers können anstrengend sein, aber auch sehr bereichernd
Ja, es ist manchmal mühsam, mit einer wilden Gruppe von Teenagern ein Rollenspiel zu spielen. Es gibt dabei Momente, in denen man einfach den Kopf hinter dem SL-Schirm vergraben möchte. Dafür ist allerdings die Begeisterungsfähigkeit von jungen Rollenspielern um ein vielfaches höher als die von alten Rollenspielveteranen. Die Jungen lassen sich noch von einer guten Story beeindrucken. Für die Mühe, die man hineinsteckt, bekommt man also eine Menge schönes Feedback zurück. Das Gefühl, jemandem eine schöne Zeit mit Spaß und Spannung beschert zu haben, ist die Arbeit auf alle Fälle wert. Und außerdem leistet ihr damit einen großen Beitrag für die Rollenspiel-Community. Denn die Rollenspiel-Kids von heute sind die die nächste Generation für unser Hobby.